Der Kleine nervt! So denkt Ruben über seinen kleinen Bruder Josef.

Mein Name ist Ruben. Ich bin der älteste, der erstgeborene Sohn von Jakob. Wir sind eine große Familie, alleine 12 Söhne hat Jakob, über die Mädchen in unserer Familie wird eher weniger geredet. Meine Mutter, Lea, hat mit Jakob 10 Söhne. Und sehr viel später hat Jakob mit seiner zweiten Frau Rahel noch zwei Söhne bekommen. Josef und Benjamin. Benjamin ist der allerkleinste. Doch richtig Stress macht Josef, der 11. Sohn. Unser Vater Jakob liebte ihn in besonderer Form. Er nahm sich Zeit für ihn. Hatte immer wieder eine kleine Überraschung für ihn, er verwöhnte ihn einfach. Und wir, wir waren neidisch. Aber wie!

Eines Tages brachte Jakob von einer kleinen Reise für Josef ein Gewand mit. Man könnte sagen, ein königliches Gewand. Nicht einfach gewebter Stoff, nicht etwas rau, sondern weicher Stoff, bunte Farben, ein schönes Muster. Du kannst dir vorstellen, wie Josef darin herumstolziert ist. Alle Knechte und Mägde mussten ihn bewundern in seinem schönen neuen Kleid. Wir älteren Brüder sollten das auch. Doch dazu hatten wir keine Lust. Noch eine Gelegenheit mehr, uns zu nerven. Der Angeber Josef mit seinem königlichen Kleid.

Für uns wäre so ein Gewand ja auch nichts gewesen. Wir waren meistens mit den Ziegen und Schafen auf der Weide. Da bleibt man schnell mal an einem Busch hängen, da ist unser robuster Stoff viel praktischer.

Eigentlich dachte ich: „Schlimmer kann es mit Josef nicht mehr werden.“ Doch ich hatte mich verdacht.

Eines Morgens, wir Brüder waren zufällig alle Zuhause, da stellte sich Josef in unsere Mitte und forderte uns auf ihm zuzuhören. „Hört euch mal an, was ich heute Nacht geträumt habe. Wir waren auf dem Feld und haben aus den abgeschnittenen Getreidehalmen Garben zusammengebunden, damit sie fest auf dem Feld stehen um trocknen können. In meinem Traum richtete sich meine Garbe auf. Euere Garben stellten sich im Kreis um meine Garbe herum. Dann verneigten sich euere Garben tief vor meiner Garbe. Das ist doch ein schöner Traum.“ Josef stand strahlend unter uns Brüdern. Und wir, wir kochten vor Wut. Nicht nur ein Königskleid für Josef, sondern er träumt davon, dass wir uns vor ihm verneigen, wie wenn er wirklich ein König wäre. Unmöglich dieser Kleine. Wenn wir älteren Brüder über ihn sprachen, dann waren unsere Sätze angefüllt mit Hass, Neid und Ärger auf Josef. Muss er so was träumen? Muss er es uns erzählten?

Wir finden: Nein! Er soll uns in Ruhe lassen.

Einige Zeit später hatte Josef noch einen Traum. Wieder erzählte er ihn uns strahlend: „Hört mir zu. Ich hatte noch einen Traum. Ich sah, wie sich Sonne, Mond und 11 Sterne tief vor mir verneigen.“

Wir Brüder überlegten: „11 Sterne, das sind wir Brüder, doch wer ist Sonne und Mond?“ Wir gingen zu unserem Vater Jakob und erzählten ihm davon. Jakob schaute nachdenklich. Dann ging er zu Josef und fragte ihn nach seinem Traum. Josef erzählte dem Vater seinen Traum nochmals: „11 Sterne, sowie Sonne und Mond haben sich tief vor mir verneigt.“

Das war dann unseren Vater doch zu viel. Ernst sprach er mit Josef: „Was ist das denn für ein Traum? Meinst du, deine Brüder und ich, dein Vater, und deine Mutter werden sich tief vor dir verneigen? Das ist doch ein sonderbarer Traum.“

Jakob schüttelte nachdenklich den Kopf und ließ Josef stehen.

Dann holte uns der Alltag wieder ein. Wir großen Brüder waren eine weite Strecke mit den Tierherden unterwegs. Immer weiter gingen wir von zu Hause weg, weil wir gute Kräuter zum Fressen für die Tiere suchten und Brunnen mit frischem Wasser. Das ist in unserer Gegend nicht immer einfach.

Manchmal sprachen wir über Josef und immer wurde klar, dass wir ihn nicht mochten. Er ist und bleibt ein alter Angeber und Vaters Lieblingssohn. Mit dem wollten wir nichts zu tun haben.

Wir dachten ja, dass wir, da wo wir gerade waren, unserer Ruhe vor Josef hatten. Doch wir hatten uns getäuscht. Eines Tages, da sahen wir ihn von Weitem direkt auf uns zukommen.

Meine Brüder waren empört. Noch nicht mal auf der Weide hat man seine Ruhe von Josef. Sofort fingen einige an, Pläne zu schmieden. Sie sprachen miteinander: „Seht ihr ihn kommen, den Meisterträumer?“ 

„Das ist eine gute Gelegenheit, hier auf der Weide. Kommt, wir erschlagen ihn.“

„Ja, dann haben wir unsere Ruhe vor ihm!“ 

„Wenn wir ihn erschlagen haben, legen wir ihn dort in die leere Zisterne, da findet ihn keiner.“

“Und dem Vater sagen wir: ‘Ein wildes Tier hat Josef angegriffen‘“.

„Genau, wir konnten ihm nicht mehr helfen, leider.“

Als ich meine Brüder so reden hörte, da musste ich einschreiten. „Stopp!“, sagte ich. „Wir können ihn doch nicht umbringen! Kein Blutvergießen. Werft ihn in die Zisterne, aber lasst ihn leben.“

Ich hoffte später in der Nacht Josef befreien zu können, sodass er zurück zum Vater gehen konnte.

Josef begrüßte uns fröhlich und fing an zu erzählen: „Grüßt euch. Das war ja ganz schön schwierig, euch zu finden. Erst als ich andere Hirten fragen konnte, wurde klar, wo ihr seid. Der Vater schickt mich. Ich soll nach euch sehen. Ist alles in Ordnung? Ich soll schauen, ob ihr und die Tiere wohlauf seid. Ist bei euch alles gut?“

Meine Brüder ließen Josef gar nicht ausreden. Sie packten ihn, rissen ihm sein königliches Gewand vom Körper und warfen ihn in die trockene Zisterne, die war leer, doch kalt und feucht war sie schon.

Wir setzten uns zusammen, um zu Abend zu essen. Da sahen wir am Horizont eine Karawane kommen. Wir schauten ihr zu, wie sie immer näherkam und einer von uns sagte: „Wir könnten den Josef doch als Sklaven an die Karawane verkaufen? Was haltet ihr davon?“

Wir hatten noch einige Zeit, bis die Karawane wirklich bei uns ankam und wir redeten hin und her. Die Idee war nicht schlecht. So wären wir den Josef sicher los und hätten ihn nicht umgebracht. Bei allem ist er ja unser Bruder.

Nächste Woche erzähle ich dir, wie es Josef weiter erging. Er sitzt ja jetzt in dem Erdloch und hört, was seine Brüder so besprechen.

1.Mose 37, 1-27

8.7.2023

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Josef wird in Ägypten als Sklave an Potifar verkauft. Eigentlich ist alles in Ordnung, wenn es da nicht die Frau von Potifar gäbe.

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Auf dem Seeweg nach Rom überlebt Paulus - als Gefangener - einen Schiffbruch.