Ein Engel besucht Maria. Maria ist danach ganz durcheinander.

I-A! Ich bin Sulaika, die Eselin von Maria. Maria ist eine junge Frau, fast noch ein Mädchen und ich bin eine junge Eselin. Wir passen gut zusammen. Maria kümmert sich sehr um mich. Das gefällt mir. Immer habe ich frisches Wasser in meinem Eimer. Neben Heu und Stroh sucht mir Maria immer wieder frische grüne Kräuter. Die schmecken wunderbar. Und am schönsten ist es, wenn sie Zeit hat und mich striegelt. Da kommt der Staub aus meinem Fell, und die kleinen Tiere, die sich da wohlfühlen und hinterher glänzt mein Fell wunderbar. Ich mag es sehr, das Striegeln.

Wo nur heute Maria bleibt? Sie kommt eigentlich immer nachmittags zu mir in den Stall und bringt frisches Wasser und vielleicht ein paar Kräuter. Komisch. Sonst ist Maria doch immer so zuverlässig.

Es ist schon fast abends, als Maria meine Stalltür aufmacht. Was ist nur mit der los. Sie schaut ganz durcheinander aus und einen Wassereimer hat sie auch nicht dabei. Was mag ihr den passiert sein. Jetzt nimmt sie die Bürste zum Striegeln vom Hacken. Ach, das wird schön. Doch dann setzt sie sich auf den Hocker und lehnt ihren Kopf an meinen Kopf.

"Ach, Eselchen", flüstert sie. "Ach, Eselchen, dir kann ich es ja erzählen. Du kannst es keinem weitersagen. Ein Engel war bei mir. Nein, der Engel Gabriel war bei mir. Plötzlich stand er im Raum und begrüßte mich: 'Gott hat dir seine Gnade geschenkt. Er ist mit dir.' Was glaubst du, wie ich erschrocken bin! Da ist jemand im Raum und ich habe ihn nicht kommen gehört. Und wieder sprach er zu mir. Er wollte mich wohl beruhigen. 'Fürchte dich nicht!' sagte er. Und wieder: 'Gott schenkt dir seine Gnade. Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Du sollst ihm den Namen Jesu geben.' Und dann hat er weitergeredet. Ich habe gar nicht alles verstanden: 'Dieses Kind ist für Großes bestimmt. Er wird Sohn Gottes genannt werden. Er wird ein großer König und seine Herrschaft wird niemals aufhören.' Eselchen, Eselchen. Wie kann das sein? Um schwanger zu werden, müssten doch Josef und ich zusammen schlafen. Das tun wir doch nicht. Er schläft bei sich und ich bei mir. Wir sind doch erst verlobt. Das habe ich dem Engel Gabriel dann gleich mal erklärt. Doch der war gar nicht erstaunt. Er erklärte mir: 'Der Heilige Geist wird auf dich kommen. Gott wird dieses Wunder in dir wirken. Und deshalb wird das Kind, das du erwartest, heilig sein und Gottes Sohn genannt werden.'

Eselchen, er wurde ja immer schlimmer. Ich werde ein Kind bekommen, obwohl Josef mir nicht nahe war. Es wird vom Heiligen Geist sein und Sohn Gottes genannt werden. Ich bin Maria, eine junge Frau aus Nazareth. Wie soll das gehen? Wieso soll das alles gerade bei mir stattfinden? Ich bin doch gar nichts Besonderes."

Ich habe Maria still zugehört, die ganze Zeit. Und ich habe versucht zu verstehen, was sie mir da gerade erzählt hat. Ein Engel in ihrem Raum. Eine Nachricht von Gott. Sie wird ein Kind bekommen. Es ist von Gott. Es ist ein besonderes Kind. Später wird es ein König sein, dessen Herrschaft niemals aufhört. Ja, wie soll das alles gehen?

Maria ist aufgestanden und hat gedankenverloren angefangen, mich zu striegeln. Oh, wie wunderbar. Doch dann lässt sie ihre Hand wieder sinken und lehnt sich wieder an mich: "Eselchen", sagt sie, "Eselchen, dann hat mir der Engel Gabriel erklärt, dass bei Gott nichts unmöglich sein und hat mir erzählt, dass Elisabeth, die Frau vom Zacharias, auch schwanger ist, obwohl sie schon sehr alt ist. Schwanger im 6. Monat schon, und dass sie auch einen besonderen Sohn erwartet. Obwohl es doch immer geheißen hat, sie kann keine Kinder bekommen. Eselchen, das alles habe ich mir angehört. Mein Kopf hat im Kreis gedacht. Ich habe mich hingesetzt und nachgedacht. Der Engel ist dageblieben. Es kam mir vor, als wollte er auf mich aufpassen. Nicht, dass ich vor lauter Überraschung in Ohnmacht falle, oder schreiend aus dem Zimmer laufe. Nein, ich saß da und dachte und dachte.

Schwanger, ein Sohn, Jesus soll er heißen, ein Sohn Gottes, schwanger durch den Heiligen Geist, ein König, dessen Herrschaft niemals aufhört. Und ich, Maria, seine Mutter? Wie soll das gehen? Und Elisabeth schwanger, schon im 6. Monat, obwohl sie uralt ist?

Das alles ging mir durch den Kopf, immer und immer wieder.

Dann bin ich mühsam aufgestanden. Ich habe mich gestreckt und dann hatte ich meine Kraft wieder. Ich habe den Engel angesehen und genickt. Ja! Ja, ich werde Gott zur Verfügung stehen. Ich diene ihm als Mutter dieses Kindes Jesu. Es soll alles so geschehen, wie du mir das gesagt hast, sagte ich zum Engel. Da ist er verschwunden.

Und ich habe mich wieder hingesetzt und nachgedacht. Was mache ich denn jetzt? Laufe ich zu Josef und erzähle ihm alles? Was wird der denken?

Wem kann ich das überhaupt erzählen? Da bist du mir eingefallen, Eselchen. Dir kann ich das erzählen. Es bleibt erstmal unser Geheimnis. Ich muss ja warten, ob ich wirklich schwanger werde. Vorher muss ich gar nichts machen. Ich warte einfach mal ab. Doch ich bin sicher, es kommt so, wie der Engel gesagt hat!"

Maria hatte aufgehört zu reden und erinnerte sich an die Bürste in ihrer Hand. Sie begann, mich zu striegeln. Wunderbar. Erst die eine Seite, dann die andere Seite. Da könnte ich stundenlang stillhalten. Maria war wohl die ganze Zeit mit ihren Gedanken beschäftigt. Dann schreckte sie auf: "Sulaika", sagt sie, "jetzt habe ich vor lauter Durcheinander ja dein frisches Wasser vergessen. Ich mache mich eilig auf den Weg zum Brunnen. Ich bin gleich wieder da."

So war es dann auch. Maria ging frisches Wasser holen und als sie zurückkam hatte sie noch ein paar grüne Blätter für mich mitgebracht. Sie kraulte mich zwischen den Ohren und wünschte mir eine gute Nacht.

Mit einem I-A wünschte ich ihr auch eine gute Nacht.

Und nächste Woche macht sich Maria mit der Eselin Sulaika auf den Weg zu Elisabeth.

Lk 1,26-38

9.12.2023

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Mit Sulaika, der Eselin, besucht Maria Elisabeth. Es gibt viel zu besprechen.

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Zacharias erscheint ein Engel. Danach spricht er nicht mehr.