Was rät Amos? Das Heiligtum Bet-El besuchen, oder doch lieber Gott suchen?

Ich erzähle dir von Amos, du kennst ihn ja schon. Er ist als Prophet für Gott vom Südreich, seinem Heimatland, ins Nordreich gewandert. Er hat seine Augen und Ohren offengehalten und gesehen und erlebt, wie die Menschen miteinander umgehen. Im Nordreich war sein Ziel das Heiligtum in Samaria, der Hauptstadt. Da kam er gerade recht zur großen Siegesfeier mit dem König. Und er hat die Feier gewaltig durcheinander-gebracht. Er hat sich mittendrin zu Wort gemeldet und Gottes Worte für alle verständlich gesagt. Gott wird das Nordreich untergehen lassen, sowie gerade die Feinde Israels untergegangen sind, weshalb man ja eine Siegesfeier veranstaltet hat.

Diese Worte von Amos wollte keiner hören. Die Priester und anderen Propheten vom Heiligtum waren erbost. Sie, nur sie, hatten von Gott zu reden und nicht ein Schäfer aus dem Südreich. Nur dem König hat Amos zu verdanken, dass er noch frei und lebendig war. Der König hatte befohlen: "Ich will nicht, dass dem Propheten etwas geschieht!"

Amos hatte sich zunächst in die Ausläufer der großen Stadt zurückgezogen. Da war es einsamer und stiller. Das tat ihm gut, nach der Aufregung.

Doch er hat ja einen Auftrag. Er soll den Leuten den Spiegel vorhalten, so hat Gott es ihm gesagt. Was für eine Aufgabe. Amos sieht an allen Ecken, dass es etwas zum Vorhalten gibt. Es wird im Tor nicht recht gesprochen. Das 'Tor' war ein freier Platz im Dorf oder der Stadt, gerne auch wirklich am Stadttor. Immer wieder hat Amos das erlebt. Die Reichen bekamen recht. Den Armen wurde ihr letztes Hemd genommen und sie wurden Sklaven.

Was Amos auch immer wieder erlebte, war, dass die Menschen die Gottesdienste als eine große Schauveranstaltung betrachteten. Wer war besser angezogen? Wer gab mehr Geld für die Opfer aus? Wer brachte mehr Familienmitglieder mit? Lauter solche Äußerlichkeiten waren wichtiger als der ganze Gottesdienst.

Amos weiß, in den nächsten Tagen beginnt die große Wallfahrt nach Bet-El. Das ist ein sehr altes Heiligtum. Jakob hatte damals auf seiner Flucht dort geschlafen und die Himmelsleiter gesehen. Amos weiß, viele Menschen versprechen sich viel davon nach Bet-El zu wallfahren und dort den Gottesdienst zu feiern. Das Motto, dass die Priester in Samaria ausgegeben hatten, war: "Sucht Bet-El auf. Versöhnt euch mit Gott."

Als der Tag gekommen ist, ist Amos am frühen Morgen vor dem Heiligtum in Samaria. Die Tempelwachen lassen ihn nicht ein. Es ist ihm verboten, das Heiligtum zu betreten. Amos wartet draußen, er hört die Priester immer wieder singen:

"Sucht Beth-El auf. Versöhnt euch mit Gott!

Die Menschenmasse singt mit der Weile mit:

"Sucht Bet-El auf. Versöhnt euch mit Gott."

Amos blickt ernst drein und schüttelt immer wieder den Kopf. Nein, nicht Bet-El ist wichtig. Wichtig ist Gott.

Als sich der Strom der Pilger in Bewegung setzt, gehen die Priester singend voraus, schließt sich Amos an. Er ist verzweifelt. Das, was die Priester und das Volk machen, ist nicht der Wille Gottes. Gott will keine großen Gottesdienste. Er will keine Wallfahrt. Er will, dass die Menschen ihn und seine Gebote ernst nehmen. Gott kommt es nicht auf Äußerlichkeiten an.

"Ach", denkt Amos und seufzt aus tiefstem Herzen. "Ach, ich muss es ihnen sagen!"

Und schon legt er los. Er bleibt stehen. Die Menschen um ihn herum müssen auch stehenbleiben. Es ist ja eng und voll.

Und dann spricht Amos:

"So spricht Gott: Suchet mich, so werdet ihr leben. Sucht nicht den Tempel in Bet-El auf. Geht nicht in das Heiligtum von Gilgal und pilgert nicht nach Beerscheba." 

Jetzt hatte er es gesagt, mit fester, kräftiger Stimme. Sogar das Singen der Priester hat er durcheinandergebracht, wie auch die Ordnung in der Menschenmenge.

Die Priester tuscheln miteinander. Die Soldaten des Heiligtums machen sich bereit. Doch Amos redet weiter: 

"Suchet das Gute, nicht das Böse. So werdet ihr leben.  Hasst das Böse, liebt das Gute.  Setzt euch ein für das Recht im Tor.  Dann, ja dann wird Gott mit euch sein, so wie ihr es sagt und euch wünscht."

Es gibt erste Zustimmung von den Menschen um Amos herum. 

"Recht hat er!" Hört auf ihn!" "Das Unrecht im Tor muss endlich ein Ende haben!"

Doch dann sind schon die Soldaten bei Amos. Sie umkreisen ihn, sie begleiten ihn zum Stadttor hinaus. Wieder steht Amos vor einer Mauer, wie schon am Morgen vor dem Heiligtum. Wieder hört er das Lied der Priester: 

"Suchtet Bet-El auf. Versöhnt euch mit Gott."

Amos versucht mit seiner Stimme über die Stadtmauer, durch sie hindurchzudringen:

"Suchet mich, so werdet ihr leben. Sucht nicht den Tempel in Bet-El auf. Suchet das Gute, nicht das Böse. So werdet ihr leben. Hasst das Böse, liebt das Gute."

Amos ist entsetzlich zumute. Wie können die Priester den Menschen nur solch falsche Sachen vorsingen, ihnen den falschen Weg zeigen.

Da weiß Amos, was er machen wird. Er geht mit. Er geht mit nach Bet-El. Er muss sie doch warnen. Er muss ihnen doch sagen, was Gott von ihnen will, sonst gehen sie doch verloren.

Was er ihnen noch alles sagen muss! Es ist so viel. Amos macht sich in seinem Kopf Notizen:

"So spricht der Herr: Ich verabscheue euere religiösen Feste. Das Brandopfer, das ihr mir darbringt, kann ich nicht mehr riechen.  Lasst mich in Ruhe mit eueren Liedern, auch das Harfenspiel kann ich nicht mehr hören. Lasst das Recht wie Wasser strömen und die Gerechtigkeit wie einen Bach fließen, der nie versiegt."

Amos macht sich auf den Weg hinter dem Pilgerzug her. Immer, wenn sie rasten, sucht er das Gespräch mit einzelnen Gruppen. Die Menschen, die nicht so fein angezogen sind, hören Amos zu. Sie geben ihm recht. Ja, so wäre das ein gutes Leben in Israel: Recht und Gerechtigkeit wie lebendiges Wasser.

Die Reichen winken ab. Sie wollen ihre Ruhe und nichts von Amos hören. Alles soll so bleiben, wie es ist.

Jeden Abend, wenn sich Amos in seinen Mantel zum Schlafen wickelt, schnauft er tief durch. Prophet sein ist viel anstrengender als ein Schäfer und Maulbeerbaumzüchter. Da steigt er doch lieber tagelang in seine Bäume, um die Maulbeerfeigen anzuritzen und dann später zu ernten. Das alles ist viel einfacher als im Namen Gottes zu sprechen.

Nächste Woche wird es nicht leichter für Amos. In schlimmen Träumen sieht er, was geschehen wird, wenn das Volk nicht endlich umkehrt. Das ist anstrengend für Amos..

Amos 5 i.A.

3.2.2024

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Wenn Amos träumt, dann redet Gott mit ihm.

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Amos redet als Prophet. Es gibt einen Tumult.