Könige im alten Israel wurden gesalbt. Jesus auch!

Ich bin eine Frau, ohne Namen. Eine namenlose Frau aus der Bibel. Ich habe Jesus kennengelernt, ganz persönlich. Nun ist er am Kreuz gestorben und wieder auferstanden, erzählen seine engen Freunde und ich glaube es ihnen. Ich sehe es ihnen an.

In der Zeit als Jesus noch lebte, da habe ich mich für seine Geschichten interessiert. Wer das wollte, konnte drei Jahre lang an jedem Brunnen, an dem die Frauen anstanden, um Wasser zu holen, neue Geschichten von Jesus erfahren. Ich wollte Geschichten von Jesus hören. Das war so anders, was Jesus tat und erzählte, so wohltuend anders. Diese Geschichten brachten mein Denken und meine Vorstellung von Gott und der Welt durcheinander und ordneten sie neu. Ich konnte vieles anders, besser verstehen.

Und dann passiert das Unvorstellbare. Jesus ist in meinem Dorf, in Betanien.

Ich war noch mit meinen Hausarbeiten beschäftigt, doch dann kam die Nachbarin und gesellte sich zu mir und erzählte: "Stell dir vor, Jesus ist im Dorf! Er hat auf dem Weg hier her einen Aussätzigen geheilt. Nun darf der Aussätzige wieder zu seiner Familie, er kann ja keinen mehr anstecken. Du glaubst gar nicht, was das für eine Freude ist. Die Familie hat gleich Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden eingeladen. Jetzt sitzen sie alle zusammen und feiern. Das muss ja auch gefeiert werden, wenn jemand wieder gesund ist und wenn jemand wieder dazugehören darf." Die Nachbarin hat mich neugierig gemacht. Ich muss mich gar nicht erkundigen, zu welcher Familie der Aussätzige gehört. Das weiß ich auch so. Wie oft habe ich seine traurige Frau am Brunnen getroffen. Sie musste sich ganz alleine um alles kümmern. Die Kinder, der Haushalt, das Geld. Alles ihre Aufgabe. Und dazu die Sorge um den kranken Mann. Immer wieder ist sie hinaus zu den Höhlen gegangen und hat ihrem Mann von dem Wenigen, das sie zum Essen hatten, etwas abgegeben. Alles mit großem Sicherheitsabstand versteht sich ja. Sie musste ja gesund bleiben und konnte nicht auch noch die Kinder anstecken. Was für eine wunderbare Sache, dass Jesus den Mann am Weg getroffen hat und ihn geheilt hat. Wunderbar für den Mann, wunderbar für die Frau, wunderbar für die Kinder.

Ich freue mich riesig mit ihnen allen.

Und dann, die Nachbarin ist ja schon weg, beginne ich nachzudenken. 

Jesus ist hier. Nur ein paar Häuser weiter. Ich könnte hingehen. Einfach hingehen und mich dazu setzen. Ihn sehen und hören. 'Los, trau dich!', sagte eine Stimme in mir. Und eine andere Stimme in mir sagt: 'Willst du mit leeren Händen kommen, wo er doch so viele neue Gedanken in deinem Kopf angestoßen hat?'

Nein ich wollte nicht mit leeren Händen kommen. Doch was sollte ich mitnehmen? 

Und dann war er da, der Gedanke: 'Ich nehme meinen Schatz mit!'

Mein Schatz ist ein kleines Glasfläschchen mit dem kostbarsten Öl, das ich kenne: Nardenöl. Mit so einem Öl wurden die Könige, damals im alten Israel, gesalbt. Auch Tote werden mit diesem Öl eingerieben, als letzter Liebesdienst.

Mein Schatz. Ich hole ihn also aus dem Versteck und lege das Fläschchen in meine Hand. Fest verschließe ich die Hand. So kann niemand meinen Schatz sehen und ich werde ihn auch nicht verlieren.

Dann geeh ich los. Ich muss nicht mehr nachdenken. Ich weiß, was ich mache.

Ich gehe zu dem Haus. Ich begrüße den Geheilten. Ich freue mich mit der Frau. 

Und dann gehe ich zu Jesus. Direkt auf ihn zu. Er schaut mich an. Ganz tief in mich hinein schaut er. Ich halte seinem Blick stand. Ja, er kann wissen, wer ich bin und wie es um mich steht. "Danke!", sage ich. "Danke", Meister für deine Geschichten, für deine Erklärungen von Gott und der Welt. Danke, dass du den Mann geheilt und seiner Familie wiedergegeben hast. Danke!"

Dann hole ich meinen Schatz aus der Hand. Löse den Korken von dem Ölfläschchen und gieße Jesus das Öl über den Kopf und über das Gesicht. 

Jesus ist mein König. Ich salbe ihn mit dem kostbaren Öl.

Kaum hat sich der schöne Geruch des Nardenöls im Raum verteilt, schon wird es unruhig unter den anderen Menschen. "Was tut die Frau da?" "Das ist das teuerste Öl, das es gibt, das hätte man gut verkaufen können und viele Hungrige damit sattmachen können!" Empörung macht sich breit.

Ich möchte gehen. Ich kann ja auch nicht genau erklären, warum ich Jesus gesalbt habe und ihm nicht das Fläschchen in die Hand gedrückt habe. 

Obwohl? Doch, ich kann es schon erklären. Er ist es mir wert gewesen.

Da spricht Jesus zu den anderen: "Was macht ihr der guten Frau das Leben so schwer? Sie hat Gutes an mir getan. Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat meinen Körper vor meinem Begräbnis gesalbt. Wenn man später die Geschichte von mir erzählt, die ganze Geschichte, auch die, die noch kommt und schwer ist, dann wird man auch von dieser Frau erzählen und was sie für mich getan hat.

Ich bin gegangen und habe über die Worte von Jesus nachgedacht. "Die ganze Geschichte, auch die, die noch kommt und schwer ist ..."

Ganz schnell kamen die schweren Stunden. Ich habe es wieder am Brunnen gehört. Die Geschichten von der Verhaftung und von seinem dem Tod. Aber auch die von seiner Auferstehung.

Ich habe Jesus wie einen König gesalbt und wie einen Toten. Ich bin froh, dass ich es getan habe.

Nächste Woche erzählt uns die Frau weiter, es geht wieder um Gemeinschaft und Alleinsein, wie schon beim Aussätzigen, und es geht auch wie heute wieder um Jesus.

Mk 14, 3-9

14.2.2024

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Trotz Gemeinschaft, einsam.

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Amos in Bet-El - war alles umsonst?