Ester, ein Waisenmädchen, wird Königin von Persien.

 Er hat mich wirklich zu seiner Königin gemacht, der König. Ich kann es gar nicht fassen. Ich eine Königin?!

Wenn ich denke, wie ich vor einigen Jahren noch ein kleines trauriges Mädchen war, ängstlich in die Zukunft geblickt habe. Ja, das waren andere Zeiten.

Aber vielleicht erzähle ich euch mal lieber der Reihe nach. Also, ich bin Ester. Ich wohne in der großartigen persischen Stadt Susa. Es ist etwa 500 vor Christus und ich bin eine Jüdin. Meine Eltern wurden vor vielen, vielen Jahren aus Jerusalem vertrieben und sie kamen hier her. Hier gibt es noch mehr Juden. Wir leben mitten unter den Persern, halten aber an unserem Gott und unseren Geboten fest. Ich bin hier aufgewachsen, spreche die Sprache der Menschen in Susa einwandfrei. Ich bin hier zu Hause. Leider sind meine Eltern sehr früh verstorben, ich war noch ein kleines Mädchen; ein Waisenkind. Doch Gott meinte es gut mit mir. Mein Cousin Mordechai nahm mich zu sich in sein Haus. Er behandelte mich wie ein eigenes Kind. Er lehrte mich die jüdischen Traditionen. Er sorgte dafür, dass ich Freundinnen zum Spielen und später zum Reden hatte. Er hatte immer ein offenes Ohr für mich.

Und jetzt bin ich eine junge Frau und Mordechai ist – so glaube ich – sehr stolz auf mich.

Vor einigen Monaten, ich glaube, es ist schon über ein Jahr her, nein, wo sind nur meine Gedanken, es ist über zwei Jahre her, da feierte der König von Persien ein großes, großes Fest, es dauerte ein halbes Jahr. Alle wichtigen Personen aus den Ländern und Provinzen, die zu Persien gehörten – es sind 127 -, waren zu diesem großartigen Fest eingeladen. Und als dieses Fest vorbei war, feierte der König noch ein Fest, ein kleineres Fest mit uns Bewohnern aus Susa. Es dauerte nur eine Woche. In den Gärten des königlichen Palastes war alles festlich in Weiß, Rot und Violett geschmückt. Man trank aus goldenen Bechern. Es gab köstlichste Speisen. Es war wie in einem Traum. Mordechai und ich waren auch dabei. Mordechai arbeitet ja für den König.

Im Frauenpalast feierte die Frau des Königs, Waschti, auch ein Fest.

Der König kam auf die Idee, dass Waschti in seinen Palast zu seinem Fest kommen sollte. Er wollte sie allen Gästen zeigen, seine Frau, die Königin, mit einer Königskrone. Er ließ sie holen, doch, die Königin kam nicht. Das machte den König richtig zornig. Und Mordechai erzählte ein paar Tage später, dass der König nun ein Gesetz im ganzen Land, mit seinen 127 Provinzen, erlassen hat, dass jeder Mann in seinem Haus das Sagen hat!

Es verging einige Zeit, die Geschichte von der Königin Waschti, die dem König nicht folgte, war nicht mehr das Gesprächsthema auf den Straßen von Susa. Es gab ein neues Gesprächsthema. Der König sucht eine neue Frau. Junge Frauen aus dem großen persischen Reich waren eingeladen, an den Königshof zu kommen. Das war eine Aufregung in der Stadt. So viele schöne junge Frauen. Und da kam Mordechai eines Abends zu mir und sagte: „Ester, da bewirbst du dich auch. Du bist bildschön, du bist blitzgescheit, du wärest eine würdige Königin. Doch – und höre bitte genau zu – du darfst niemanden erzählen, dass du Jüdin bist. Das muss unser Geheimnis bleiben!“

Na, ich wusste nicht so recht, soll ich oder soll ich nicht. Doch dann bewarb ich mich auch. Ich wurde in die Frauengemächer aufgenommen und es wurde alles für mich getan, dass ich noch schöner und strahlender ausschaute. Gutes Essen, Bäder, kostbarste Öle für die Haut. Und dann, nach gut einem Jahr dieser intensiven Pflege, hatte jede junge Frau ihren „Auftritt“. Einen Abend mit dem König. War ich aufgeregt, als ich an der Reihe war. Doch dann fiel mir ein Satz aus den Psalmen ein: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Mit dem Satz im Kopf ging ich zum König. Es war ein netter Abend. Ich wusste, jede junge Frau hatte nur diesen einen Abend. Danach würde sie in ein neues Haus für Frauen ziehen. Doch der König schien Gefallen an mir zu haben. Immer wieder mal ließ er mich rufen, um zu ihm zu kommen. Und dann setzte er mir eines Tages die Krone auf. Die Krone für die Königin von Persien. Ich! Und es gab wieder ein großes Fest. Ein Fest zu meinen Ehren.

Alles wurde anders. Ich lebe nun nicht mehr unter den vielen anderen Frauen im Frauenhaus. Ich habe meine eigenen Räume, groß und schön. Ich habe meine eigenen Dienerinnen. Ich habe wunderschöne Kleider. Jeder Wunsch wird mir erfüllt. Und wenn der König mich ruft, dann komme ich sofort. Mir soll es ja nicht so gehen wie meiner Vorgängerin Waschti.

Ich bin gerne mit dem König zusammen. Er ist ein kluger, unterhaltsamer Mann, wir können auch mal miteinander lachen über die kleinen Dinge, die auch an einem prächtigen Königshof mal schieflaufen.

Ach, ich habe euch ja noch gar nicht verraten wie der König heißt, wie ich ihn anspreche. Ich nenne ihn Ahasveros. Es klingt so rätselhaft, finde ich. Andere Menschen sagen, sein Name ist Xerxes. Ich finde, das klingt hart und schneidend. Ahasveros gefällt mir viel besser.

Meinen Cousin Mordechai sehe ich nicht mehr jeden Tag, das war früher so, als ich im Frauenhaus für die jungen Frauen war, noch so gewesen. Jetzt als Königin ist es etwas umständlicher, aber wir treffen uns in den königlichen Gärten. Wir schreiben uns kleine Nachrichten, die die Dienerinnen weitergeben. Er weiß immer, wie es mir geht. Und ich weiß immer, wie es ihm geht.

Und immer mal wieder erinnert mich Mordechai an unser kleines Geheimnis, dass wir Juden sind.

 

Und nächst Woche erzähle ich euch meine Geschichte weiter. Es wird spannend. Es geht um Morddrohungen, Eifersucht und Gefahr.

Ester 1,1 - 2,18 + Ps 139,5

11.2.2023

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Esters Cousin, Mordechai, bewahrt den König vor dem Tod und wird dafür von Haman geehrt. Doch Mordechai hat ein seltsames Gefühl.

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