Alle sind wieder an Land. Gott malt einen Regenbogen an den Himmel. Er ist ein Versprechen an uns Menschen.

Ich, Sem, erzähle dir die Geschichte weiter.

Es regnete nicht mehr. Es war viel stiller. Das war schön.

Und manchmal machte sich die Hoffnung breit: Bald ist alles wieder normal. Wir können an Land gehen, wir können Blumen, Bäume, Gras und Wolken sehen. Wir können spazieren gehen und im Gras liegen.

Ach, wäre das schön.

Tag für Tag verging, Woche für Woche und wir wurden immer unruhiger. Wann ist das denn endlich alles vorbei?

Doch wir spürten es, unsere Arche fuhr auf dem Wasser. Und solange das so war, war alles beim Alten.

Wenn wir doch nur wüssten, wie es weitergeht? Und was wir noch alles aushalten müssen?

An solchen Abenden sangen wir wieder und wieder unseren 2. Vers von unserem Abendlied:

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht sehn.

 

Allen war klar, solange ein so großes Schiff schwimmt, gibt es nur Wasser unter seinem Kiel und kein Land. Also kein Land, auf dem wir leben könnten.

So vergingen weitere Tage und Wochen.

Bis ……

Ja, bis es einen Ruck gab. Einen Ruck, der durch die ganze Arche ging. Manche von unseren Tieren verloren ihr Gleichgewicht. Vom Tisch rollten Sachen. Ein Ruck, der nicht leicht abgetan werden konnte. Ein Ruck, der stark war, für alle zu spüren.

Die Arche bewegte sich nicht mehr. Sie schwamm nicht mehr. Am liebsten wäre ich gleich losgestürzt und hätte die Türe aufgerissen. Doch Noah mahnte zur Vorsicht.

„Nicht Sem!“, sagte er, „Da brauchen wir noch Geduld. Nur weil die Arche nun steht, ist sicherlich noch nicht alles so da draußen, wie wir uns das wünschen. Geduld!“

Ganz ehrlich, wenn ich eines nicht mehr hatte, nach all der langen Zeit in der Arche, dann was das Geduld. 10 Monate waren vergangen, seit es das Regnen aufgehört hatte. 10 Monate! Meine Geduld war einfach aufgebraucht. Nichts mehr da!

Jetzt sollte es losgehen, das ganz normale Leben. Jetzt!!

Noah hat noch einmal 40 Tage gewartet, bis er meinte, jetzt konnte man mal etwas ausprobieren.

Gut dachte ich: jetzt macht er die Tür auf und wir können schauen und herausgehen. Doch es kam ganz anders. Bedächtig stieg Noah die Leiter hoch bis unters Dach der Arche. Er rief einen Raben zu sich, öffnete das Dachlukenfenster und ließ ihn hinausfliegen. Wir konnten durch das Fenster sehen, wie der Rabe hin und her flog.

Noah machte das Fenster wieder zu und kam zu uns herabgestiegen.

Wieder ließ Noah die Zeit verstreichen. Jeden Tag nörgelten wir: „Vater, mach doch bitte die Tür auf.“ Noah schien uns nicht zu hören. Die Tür blieb zu.

Nach einiger Zeit rief er eine Taube, stieg wieder die Leiter bis zur Dachluke hinauf und ließ die Taube fliegen. Die Taube kam bald wieder. Sie hatte wohl nichts für sich gefunden.

Eine ganze Woche wartetet Noah wieder, dann ließ er die Taube erneut fliegen.

Diesmal kam die Taube erst nach längerer Zeit wieder. Und: sie hatte was im Schnabel. Sie hatte ein frisches Blatt von einem Olivenbaum im Schnabel.

Noah schloss die Luke wieder und nahm das Blatt an sich. Bei uns unten angekommen, zeigte er uns das Blatt. Viele Tiere waren ganz wild darauf. Frisches Grün! Kein Heu, kein Stroh, kein Getreide. Denen lief schon das Wasser im Mund zusammen. Doch Noah steckte das Blatt ganz vorsichtig in seine Hemdtasche, nahe an seinem Herzen und schnaufte tief durch: „Geduld! Es wird wieder ein Leben auf der Erde geben, das kleine Blatt erzählt davon!"

Am Abend redeten wir darüber, wie es wohl wieder sein wird. Ein Leben auf einer trockenen Erde. Mit unserem Abendlied von früher schlossen wir den Tag ab, bevor wir einschliefen.

Der Mond ist aufgegangen,

die goldenen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar.

Der Wald steht schwarz und schweigend,

und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.

Wieder wartete Noah eine Woche, dann ließ er die Taube zum dritten Mal fliegen. Die Taube kam nicht mehr. Noah nickte zufrieden. Bald wird es für uns so sein wie die Taube. Die Erde wird wieder unser Zuhause sein.

Ein paar Tage später sprach Noah feierlich zu uns: „Gott hat uns gesagt: ‚Geht hinaus!‘“

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Gemeinsam machten wir die große Tür auf, klappten den Steg hinunter und schon drückten sich alle Tiere ans uns vorbei. Sie rannten in die Freiheit. Manche überschlugen sich vor lauter Übermut. Die Vögel flogen um die Wette und zogen wunderbare Kreise und übten sich im Sturzflug. Die Kaninchen hoppelten. Die Gänse schnatterten aufgeregt.  Die Schlangen versteckten sich im Gras oder legten sich in der Sonne und ließen sich wärmen.

Wir Menschen gingen auch hinaus. Wir schnupperten: Ja, so riecht Erde. Wir bestaunten, was wir sahen. Bäume und Büsche, Sonne und Himmel, Blumen und Beeren, Gras und kleine Flüsse.

Es war einfach wuuundeeerbaaar!

Als Noah meinte, wir hätten allen Grund Gott zu danken, dafür, dass wir und die Tiere durch die Arche die Rettung erlebt hätten, da waren wir alle dabei. Wir bauten aus Feldsteinen einen Altar. Einen Tisch mitten in der Landschaft. Wir haben uns abgemüht. Er war uns gut gelungen. Noah sprach das Dankgebet. Er dankte für unsere Rettung, für die schöne Erde, auf der wir wieder sein durften, er dankte für unser Leben.

Und dann lauschte er aufmerksam. Hörte er Gott?

Ja, er hörte auf Gott. Gott gab uns und allen Menschen ein wunderbares Versprechen. So war das Versprechen von Gott:

‚Ich will hinfort nicht mehr die Erde vernichten, denn die Menschen sind so wie sie sind. Es gibt immer Gute und weniger Gute.

So verspreche ich euch:

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören, Saat und Ernte, Sommer und Winter, Tag und Nacht.‘

Und dann stellte er uns als sichtbares Zeichen für sein Versprechen einen wunderbaren Regenbogen an den Himmel über uns, unseren Altar und die Arche. Es war so schön!

Ehe wir uns versahen, war der Tag vergangen. Der Mond war aufgegangen.

Morgen würden wir anfangen, uns Hütten zu bauen. Morgen, ja morgen, da fing das Leben nach der Arche an.

Doch erst noch unser Abendlied und noch einmal in der Arche schlafen – mit offener Tür und ohne Tiere. Wunderbar.

Der Mond ist aufgegangen,

die goldenen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar.

Der Wald steht schwarz und schweigend,

und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.

Und nächste Woche gibt es eine neue Geschichte aus der Bibel – eine eher unbekannte.

1.Mose 8 + 9 i.A.

24.9.2022

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Der blinde Tobit, sein Sohn Tobias, das Geld bei Gabael …..

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Es regnet 40 Tage. Und dann: STILLE