Es regnet 40 Tage. Und dann: STILLE

Ich, Sem erzähle euch heute die Geschichte weiter.

Da kamen also die Tiere. So viele. Große und kleine, dicke und dünne und auch ganz winzige. Für alle gab es Platz in unserem Schiff. Für die Frösche und Füchse, für die großen Giraffen und die kleinen Mäuse, für die Tauben und Bussarde, für den Zaunkönig und die Pferde, die Ziegen und Gänse und, und, und.

Es dauerte Tage, bis für jedes Tier, besser gesagt für jedes Tierpaar ein schöner und passender Platz gefunden wurde. Jetzt war das Schiff auf einmal nicht mehr riesig, sondern genau passend. Dann gingen wir als Familie an Bord. Ich mit meiner Frau. Meine Brüder Ham und Jafet mit ihren Frauen und meine Mutter und mein Vater Noah.

Da saßen wir nun und wussten nicht so recht, was werden sollte. Die Tür vom Schiff war zu. Noah sagt: „Gott selbst hat sie verschlossen!“

Doch dann hörten wir es: 'Pling, pling, pling, tropf, tropf, tropf, …' Es fing an zu regnen. Es regnete und regnete und regnete. Der Regen war gekommen und hörte nicht mehr auf. Es regnete tagelang.

Und dann auf einmal bewegte sich unser Schiff. Es schwamm.

Jetzt verstand ich. Das war kein gewöhnliches Schiff. Das war eine Rettungs-Arche. Eine Arche, die uns und all unsere Tiere an Bord vielleicht vor der großen Flut, die da draußen die Erde schon überschwemmt hatte, retten konnte. 

Als wir abends unser Abendlied sangen, da wünschte ich mir die zweite Strophe

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht sehn.

Jetzt war manches zu verstehen. Wie hatten unsere Nachbarn über uns gespottet, gelacht und den Kopf geschüttelt. Das Schiff war eine Sache, die sie mit ihren Augen nicht sehen konnte. Sie konnten nicht verstehen, dass es eine Rettungs-Arche brauchte. So konnten sie nur über uns lachen.

Es regnete 40 Tage am Stück. Unvorstellbar lange.

Am Anfang ging das ja noch alles ganz gut mit uns unterschiedlichen Geschöpfen in der Arche. Jeder gab sich wirklich Mühe. Die großen Tiere nahmen auf der kleineren Rücksicht, man teilte die Essensportionen, man verkniff sich das unfreundliche Wort oder gar einen Streit.

Doch 40 Tage – das sind fast 6 Wochen – das ist eine lange Zeit und dann immer das Getrommel des Regens auf dem Schiff.

Die Tage wurden anstrengender. Es war eng. Die Nerven von allen waren angespannt.

Da gab es an manchen Tagen ganz schön Ärger.

Ist ja auch schwierig, wenn Fuchs und Gans miteinander auskommen sollen. Und am Schluss soll die Gans noch leben. Oder der Bussard und die Maus.

Schwierig, schwierig.

Oder manche Tiere sahen überhaupt nicht ein, dass sie auf die anderen Rücksicht nehmen müssen und sich anpassen und gut benehmen.

Da knabberten die Nagetiere alles an, was ihnen unter die Pfoten kam. Da meinte der gefräßige Löwe, er bekäme immer eine extra Portion Essen. Die Spinnen webten alles, was ihnen unter ihre acht Beine kamen, zu. Die Affen veranstalteten wilde Verfolgungsjagden durch das ganze Schiff und manches ging dabei kaputt.

 

An manchen Tagen, da konnte ich nur schreien und mir die Haare raufen.

Gerne wäre ich davongelaufen, ging halt aber nicht. 

Wir waren zwar vor der Flut gerettet, aber nicht vor uns und unseren Eigenarten, mit denen mussten wir Menschen, wie Tiere, in der Arche zurechtkommen.

Zum Glück gab es auch Tage, da ging es besser. Tage, an denen der Streit und der Ärger sich in Grenzen hielten.

Da erlaubte das Schaf, dass sich der frierende Vogel an seinem weichen Fell wärmen durfte.

Da tröstete der Storch den Frosch, der sich so sehr nach seinem Weiher sehnte.

Da spendierte die Kuh ihre Milch den Waldtieren.

Da einigen sich die Vögel auf einen gemeinsamen Anfangston und gaben ein Abendständchen, sodass alle besser einschlafen konnten.

Und wir sangen – froh über die Ruhe und den Frieden – unser Abendlied:

 

Der Mond ist aufgegangen,

die goldenen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar.

Der Wald steht schwarz und schweigend,

und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.

Der nächste Tag war dann mal so, oder eben auch wieder ganz anders.

Und dann nach 40 Tagen – STILLE –

Er war so still, dass sogar die Tiere still wurden. Der Regen hat aufgehört. Wir atmeten tief durch.

Es wird was anders. Aber wie? Keiner wusste was dazu. Wir mussten weiter warten.

Und nächste Woche erzähle ich dir den dritten und letzten Teil der Geschichte.

1.Mose 8+ 9 i.A.

17.9.2022

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Alle sind wieder an Land. Gott malt einen Regenbogen an den Himmel. Er ist ein Versprechen an uns Menschen.

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Der Vater von Sem baut ein großes Schiff, mitten auf dem trockenen Land. Ist das verrückt?