Nele feiert Halloween. Oma feiert Reformationsfest. Was das wohl ist?

Nele ist ganz aufgeregt. Morgen ist der 31. Oktober und sie darf mit ihren Freundinnen und Freunden um die Häuser ziehen und rufen: „Süßes oder Saures“. Und dazu hat sie ein kleines Hexenkostüm bekommen. Lange genug hat sie ja die Mutter deswegen angebettelt.

Und heute hat sie das Hexenkostüm an und will damit schnell zur Oma flitzen, ein paar Häuser weiter. Die Oma wird staunen. So kennt sie die Nele gar nicht.

Also macht sie sich auf den Weg.

Dann läutet sie bei der Oma, lang und heftig. So wird sie das dann morgen bei ihrer Halloween-Tour auch machen.

Die Oma reißt die Tür auf und schaut sie mit großen Augen an.

„Ja, was ist denn da los? Ist was passiert Nele? Und wie schaust denn du aus?“

Oma wirkt etwas aufgeregt und durcheinander.

„Aber komm doch erst mal rein“, sagt sie und macht die Haustür weit auf.

Nele geht rein und als sie in der Küche angekommen sind, stellt sie sich in die Mitte und dreht sich um die eigene Achse, immer und immer wieder. „Schau, Oma, das ist mein Kostüm für Halloween!“

„Ja, ich sehe schon, du hast dich als Hexe verkleidet“, sagt die Oma.

„Findest du mich auch ein wenig gruselig?“, fragt Nele.

„Na ja, ich erkenne dich ja als Nele, da ist das nicht so gruselig, aber so ein schwarzes Hexenkostüm, lässt einen schon eher gruseln“, meint die Oma.

Nele ist zufrieden. So soll es ja sein. Schön gruselig.

„Willst du eine heiße Schokolade, Nele?“, fragt die Oma.

„Klar, will ich!“, strahlt Nele über das ganze Gesicht und macht es sich auf der Eckbank gemütlich. Sogar den Hexenhut nimmt sie ab. So sitzt es sich besser.

Erst werkelt die Oma noch am Herd, dann sind die heißen Schokoladen fertig und Oma setzt sich mit an den Tisch.

„So willst du als an Halloween um die Häuser ziehen und läuten und ‚Süßes oder Saures‘ rufen?“, fragt sie.

Nele nickt eifrig: „Und die Leute zum Gruseln bringen, das wollen wir auch. Eine verkleidet sich als Gespenst und einer als Monster. Ich bin schon gespannt.“

Oma nickt nachdenklich.

„Also ich find’ gruseln nicht so großartig. Was habe ich mich als Kind gegruselt, wenn ich in den feuchten, dunklen Keller gehen musste, zum Kohlen holen. Da waren immer Spinnweben, die einem an den Haaren klebenblieben, und Mäuse gab es auch da. Ich war immer froh, wenn ich mit meinen Kohlen wieder in der Küche war“, erzählt sie.

"Und am 31. Oktober feiere ich ein ganz anderes Fest als Halloween, Nele“, redet sie weiter. „Es ist mir ein wichtiges Fest.“

„Was für ein Fest kann man denn da noch feiern?“, fragt Nele neugierig.

„Hast du schon mal was vom Reformationsfest gehört?“, fragt die Oma.

Nele schüttelt den Kopf: „Nee!“

„Und Martin Luther kennst du auch nicht?“, bohrt die Oma nach.

Nele denkt nach. „Ich weiß nicht, ich glaube nicht!“

„Na dann wird es Zeit, dass ich dir was dazu erzähle!“ Die Oma setzt sich aufrecht hin und fängt an.

„Also, es war vor mehr als 500 Jahren. Da gab es den Martin Luther. Der wurde Mönch, weil er es Gott versprochen hatte, als er ein schweres Gewitter im Freien gut überlebt hatte. Und dem Martin Luther war es ganz wichtig vor Gott alles richtigzumachen. Er hatte Angst vor Gott.“

Nele unterbricht die Oma: „Angst vor Gott?“

„Ja, Angst vor Gott. Damals stellte man sich Gott als den großen, strengen Richter vor. Alles, was man im Leben falsch machte, so dachte man damals, kommt auf so eine Art schwarze Liste, und wenn man dann stirbt, dann wird die Liste herausgeholt. Und wenn die zu lang und zu furchtbar ist, dann kommt man nicht in den Himmel. Und das stellte man sich schlimm vor. So auch Martin Luther. Also tat er alles, was er tun konnte, um eine kurze schwarze Liste zu haben. Er fastete, beichtet, bemühte sich ohne Ende, doch immer wieder machte er Fehler. Er wurde immer verzweifelter. Und keiner konnte ihm so recht helfen. Wenn er in der Kirche zum Beten war, dann sah er dort an der Wand die Bilder von der Hölle und von Gott auf dem Richterstuhl. Es war so gruselig für ihn. Bis, ja, bis er in der Bibel ganz andere Sätze fand, Sätze, die ihm noch keiner so gesagt hat. Gott ist nicht ein strenger Richter, er ist ein gerechter Richter. Und dass man vor Gott nicht mit seinen Werken besteht, also dass, was man alles tut, wie fasten und beichten, sondern dass allein dadurch, dass man sich um den Glauben bemüht.“

So, jetzt ist die Oma erst einmal fertig und schnauft tief durch.

Nele hat aufmerksam zugehört. „Wie, der hat sich vor Gott gefürchtet? Und der hat gefastet, damit ihn Gott lieber hat?“ Nele kann das alles gar nicht verstehen.

Die Oma nickt: „Doch dann hat er viele Sätze in der Bibel gefunden, die ganz andere Sachen erzählt haben und er hat daraus eine Zusammenfassung gemacht. Eine Zusammenfassung, die alles hätte ändern können. Doch die anderen Mönche, die Priester und der Papst in Rom wollten da nicht so einfach mitmachen. Sie hatten sich schon so sehr daran gewöhnt, dass alle Angst vor Gott hatten. Doch Martin Luther wollte unbedingt seine vier Sätze für alle bekannt machen. Er meinte: ‚Jeder muss das wissen!‘“

„Nun sag doch schon die vier Sätze, Oma“, sagte Nele.

„Allein durch den Glauben an Gott,

allein durch die Bibel,

allein durch Jesus Christus und

allein durch Gottes Gnade ist man gerecht vor Gott.

Es gibt keine schwarze Liste!“

Nele atmet erleichtert auf. Da fällt ihr schon mal ein Stein vom Herzen. Ist ihr doch gerade eingefallen, wie unfreundlich sie gestern in der Schule zur Lehrerin war. „Es gibt keine schwarze Liste“, denkt sie. „Gott sei Dank! – Und entschuldigen werde ich mich trotzdem“, denkt sie weiter.

„Und das ist irgendwie dein Feiertag an Halloween, Oma?“, fragt sie weiter.

„Ja, mein Reformationsfest. Martin Luther wollte die Kirche verändern, dahin wieder auf die Bibel zu achten, sie zu lesen und mehr von Gott zu verstehen. Seine Kirche, die Katholische Kirche, war dazu damals nicht bereit, also gab es am Schluss eine neue Kirche, eine reformierte Kirche, manche nennen sie auch die Lutherische Kirche, oder einfach die Evangelischen. Das ist mein Feiertag und ganz ehrlich, ich bin froh mich nicht gruseln zu müssen, sei es im dunklen Keller von früher oder vor einem strengen Gott, der Richter ist über all das, was ich in meinem Leben schon falsch gemacht habe.“

„Du Nele, es ist schon spät, du musst heim“, sagt die Oma und räumt die Tassen in die Spüle. „Grüße alle schön!“

Nele setzt ihren Hexenhut wieder auf und geht heim und hat viel zum Nachdenken.

Und nächste Woche erzähle ich dir was zu Kummer und Trost.

Römer 1,17 + 3,28; Ps 31,2; Habakuk 2,4

29.10.2022

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Nele hat Kummer. In der Schule haben die anderen Kinder sie ausgelacht. Mama kann sie trösten, und der Psalm 73 hilft ihr dabei.

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Zurück nach Ninive zu Tobias Eltern. Eine lange Reise geht zu Ende. Hilft die Galle vom Fisch dem blinden Tobit? Und wer ist eigentlich Raphael?