Aram hat viel zu denken. Jesus sagt: “Liebt eure Feinde!” Wie soll das mit Arams unmöglichen Nachbarn gehen?

Du kennst mich ja schon, ich bin Aram, ein Töpfer und viel mit meinem Esel und meinen Töpferwaren unterwegs.

Heute mache ich mich wieder auf die Reise. Alle Becher, Teller und großen Gefäße sind ordentlich verpackt und auf dem Rücken des Esels verteilt. Es geht mal wieder los! Und ich bin froh darum. Ich muss mal hier weg. Mein einer Nachbar, der strengt mich unendlich an. Ständig weiß er was besser, ständig leiht er sich was von mir und bringt es nicht wieder. Dann braucht er ganz dringend einen Becher, einen neuen, und er zahlt nichts dafür. Immer bin ich am Geben und soll Verständnis haben. Er regt mich einfach auf. Und wenn ich es ihm dann mal sage, so mit Wut im Bauch und Zorn in der Stimme, dann ist hier aber was los. Die schlechte Stimmung, die er dann verbreitet, wabert durch die Gasse, drückt sich unter der Tür herein bis in meine Werkstatt und zu meiner Schlafmatte. Er redet nicht mehr mit mir, er tuschelt mit den anderen, er schaut verächtlich zu mir. Ich schaue dann immer, dass ich ihm nicht begegne, was bei einem Nachbarn natürlich schwierig ist.

Aber heute mache ich mich wieder auf meine Verkaufsreise und dann kann mir der blöde Nachbar gestohlen bleiben. Ich bin die nächsten Tage nicht hier und kann nicht schon wieder dumm angeredet und ausgenutzt werden. Jawohl!!

Als ich unseren Ort hinter mir lasse, fällt mein Ärger von mir ab. Vor mir die Landschaft. Heute ist der Weg auch nicht weit, bis zum nächsten Markt und die Herberge, in der ich heute schlafen will, ist eine ordentliche. Sie ist sauber, die Wirtin kocht gut. Beste Aussichten.

Am Markt angekommen baue ich meinen kleinen Verkaufsstand auf und schon kommen Menschen. Manche nur zum Unterhalten, andere um was zu kaufen. Der Tag vergeht wie im Flug. Die Herberge ist wie immer und auch das Essen ist wieder gut. Ich schlafe ruhig und erwache ausgeruht. Weiter geht es zum nächsten Markt.

Auch hier baue ich meinen kleinen Verkaufsstand auf. Auch hier wieder Leute, die zum Unterhalten kommen und welche, die was kaufen. Und dann, dann sehe ich ihn und seine Freunde. Jesus ist auch im Ort.

Fein, sicherlich kann ich wieder etwas zuhören. Das gefällt mir. Jesus ist so anders, da gibt es wieder viel zum Nachdenken – wahrscheinlich.

Doch diesmal ist es nicht so einfach mit dem Zuhören. Am Marktplatz bleibt er nicht mit seinen Freunden. Sie ziehen hinaus in Richtung der Felder.

Ich bleibe noch eine Weile am Markt, aber da ist nichts mehr los. Die Menschen sind Jesus hinterher gezogen. So packe ich meine Sachen ein und gehe mit meinen Waren und dem Esel zur nächsten Herberge. Da kann ich den Esel und die Tongefäße sicher unterstellen. Dann mache auch ich mich auf den Weg zu den Feldern. Und wirklich da ist er, mit seinen Freunden und Freundinnen und vielen anderen Menschen. Ich setze mich dazu und höre zu.

Jesus fängt an uns über das Gebot den Mitmenschen zu lieben zu unterrichten: „Liebt eure Feinde. Tut denen Gutes, die euch hassen.“ Ich halte die Luft an. Ist das zu fassen. Der, der mich nervt, soll von mir geliebt werden. „Schlägt dir einer auf die Backe, dann halte ihm auch die andere Backe hin. Nimmt dir jemand den Mantel weg, dann überlasse ihm auch das Hemd. Gibt jedem das, worum er dich bettet. Und wenn dir jemand etwas wegnimmt, das dir gehört, dann fordere es nicht zurück.

Behandelt andere Menschen genauso, wie ihr selbst behandelt werden wollt.

Die zu lieben, die euch lieben, ist nicht schwer. Das ist ganz einfach. Das machen alles so. Leihen ist einfach, wenn man weiß, dass man es wieder zurückbekommt. Nein! Liebt eure Feinde. Tut Gutes und verleiht, ohne etwa dafür zu erhoffen. Dann werdet ihr einen großen Lohn erhalten und Kinder des Höchsten sein. Denn Gott selbst ist gut zu den undankbaren und schlechten Menschen.“

Ohne zu Atmen habe ich zugehört. Es ist sehr still hier, obwohl so viele Menschen da sind. Und dann bricht es aus ihnen heraus.

„Was, Jesus? Dann wären wir doch die Dummen. Ausgenutzt werden wir dann? Wie soll das gehen?“ So sprechen die Aufgebrachten und Erregten.

Doch es gibt auch andere: „Kinder des Höchsten werden wir sein, wenn wir so leben. Wenn wir so leben, folgen wir Gottes Beispiel. Er ist gut zu den Menschen, auch zu den schwierigen und undankbaren.“

Es gibt eine hitzige Diskussion untereinander und mit Jesus.

Nachdenklich macht dann alle der Satz: „Behandelt andere Menschen genauso, wie ihr selbst behandelt werden wollt.“

Na, ich hatte es ja schon vorher gewusst. Bei diesem Jesus muss man immer wieder den Kopf schütteln und man hat viel nachzudenken. So natürlich auch ich.

Die nächsten drei Tage bin ich noch von Markt zu Markt unterwegs, dann habe ich alles verkauft und mache mich auf den Heimweg.

Auf den Heimweg zu meiner eigenen Schlafmatte und meiner Töpferwerkstatt. Und: zu meinem schwierigen Nachbarn.

Behandele andere Menschen so, wie du behandelt werden willst. Leicht gesagt. Ich gehe doch nicht hin und hole mir einen Becher und bezahle ihn nicht. Ich verbreite auch keine schlechte Laune und weiß alles besser und wenn ich mir was leihe, gebe ich es wieder zurück.

Da merke ich, so komme ich mit meinem Denken nicht weiter.

Da muss ich was ändern. Ich sollte Gott mehr in die Mitte stellen. Er nimmt die Menschen erstmal so wie sie sind. Er macht sie zu seinen Kindern – wenn sie das möchten. Und da stellt er erstmal keine Forderung.

Und wenn ich an meinen Nachbarn denke, dann denke ich sofort: so und so muss er sich ändern, dann wird das schon was mit unserer Nachbarschaft.

Nein, ich muss mich ändern. Ich weiß, mein Nachbar ist nicht einfach, doch ich möchte ein ‚Kind des Höchsten‘ sein, sie Jesus so schön gesagt hat. Also muss ich mich ändern. Und ich sagte euch, das wird schwierig. Wenn mein Nachbar sich das nächste Mal was leiht, dann denke ich mir: geschenkt! Und wenn er wieder einen neuen Becher braucht, gebe ich ihm gleich einen zweiten mit. Das wird schwer, doch ich probiere es aus. Ich ‚Kind des Höchsten‘!

Mit diesen Gedanken komme ich Zuhause an. Und da steht er schon, mein Nachbar. Freundlich grüße ich ihn. Er schaut mich verwundert an. Und schon steht er in meiner Werkstatt und will sich einen Krug leihen, er hat so viele Oliven geerntet, dass sein Krug voll ist. Ich drücke ihm einen Krug in die Hand: „Hier nimm!“, sage ich. Er geht mit ihm weg. Ich weiß, ich sehe den Krug nicht mehr, und es macht mich nicht wütend.

Dieser Jesus, mit seinen neuen Gedanken, er verändert auch mich.

Und nächst Woche muss Aram erst mal wieder den Kopf schütteln über diesen Jesus. Doch er weiß ja schon: nachdenken hilft.

Lk 6, 27-35

21.1.2023

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Wer hat Mitleid mit dem Überfallenen: Priester, Levit oder Samariter? Und was hat das alles mit einem wichtigen Gebot zu tun? Aram muss wieder nachdenken.

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Da muss Aram den Kopf schütteln: Jesus wünscht sich vom reichen Mann, dass er alles verkauft.