Wer hat Mitleid mit dem Überfallenen: Priester, Levit oder Samariter? Und was hat das alles mit einem wichtigen Gebot zu tun? Aram muss wieder nachdenken.

Du kennst mich ja schon, ich bin Aram der Töpfer. Diese Woche bin ich nicht unterwegs. Ich bin Zuhause beim Töpfern.

Doch in meinen Gedanken bin ich ganz schön unterwegs. Ich gehe den Weg von Jerusalem nach Jericho. Ich kenne den Weg gut. Jedes Jahr, schon als ich Kind war, sind meine Eltern mit mir und dem halben Dorf nach Jerusalem zum Passafest gewandert. Wir waren mehrere Tage unterwegs. Nachts schliefen wir in Herbergen auf dem Boden, unser Mantel war unsere Decke. Wir gingen als große Gruppe, das war gut so, denn der Weg ist nicht ungefährlich. Da sind immer mal wieder Räuber im Dickicht oder hinter den Felsen versteckt, die gerne jemanden das Geld oder wertvolle Sachen rauben. Allein würde ich auch heute, als erwachsener Mann, den Weg nicht gehen wollen. Es wäre mir zu gefährlich. Und du weiß ja, dass ich sonst schon allein mit meinem Esel und meinen Töpferwaren unterwegs bin.

Warum ich über den Weg von Jerusalem nach Jericho nachdenke?

Jesus hat da eine Geschichte erzählt. Und da waren dann wirklich Räuber.

Aber vielleicht fange ich am Anfang an.

Es war auf einem Marktplatz. Ich war gerade dabei, meinen kleinen Verkaufsstand zusammenzuräumen. Als Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden kam. Er setzte sich mit ihnen in den Schatten unter einen Baum und schon bald kamen Menschen aus dem Dorf, um sich zu ihnen zu gesellen und Jesus was zu fragen. Ich setzte mich auch dazu.

Dann kam ein Schriftgelehrter, das sah man schon an einer würdevollen Haltung und seinen ordentlichen Kleidern, der fragte Jesus: „Lehrer, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?“

Was für eine Frage dachte ich, so ähnlich wie der reiche Mann neulich. Was Jesus dem Schriftgelehrten wohl antwortet?

Da begann Jesus schon zu sprechen: „Du kennst doch die Schriftrollen. Was steht denn da?“

Und sofort antwortete der Schriftgelehrte: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Denken. Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.“

Das war gut gelernt. Ich hatte es auch so im Kopf.

Jesus lobte den Schriftgelehrten für sein Wissen und sagte dann nur kurz: „Halte dich daran und du wirst leben.“

Doch der Schriftgelehrte war mit der Antwort nicht zufrieden. Er wollte vielleicht ein Streitgespräch herausfordern, so fragte er: „Wer ist denn mein Mitmensch?“

Und Jesus fing an, als Antwort auf diese Frage, eine Geschichte zu erzählen:

„Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho.

Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie nahmen ihm alles ab, bis auf sein Hemd, und schlugen ihn zusammen. Dann machten sie sich davon und ließen ihn halb tot liegen.

Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg entlang. Er sah den Verwundeten, sah sich um, und ging vorbei.

Genauso machte es auch ein Levit, einer der im Tempel Aufgaben hat, wie schon der Priester auch, als er an die Stelle kam. Er sah den Verwundeten und ging vorbei.

Aber dann kam ein Samariter dorthin, der auf der Reise war.“

An dieser Stelle ging ein Raunen durch die Zuhörer. Ein Samariter! Samariter sind von uns nicht sehr geliebt. Sie glauben an unsern Gott, doch unser Feste feiern sie nicht mit uns im Tempel, sondern auf einem Berg in Samarien. Also so ein Samariter kam jetzt in der Geschichte beim Verwundeten vorbei.

Und Jesus erzählte weiter:

„Als der Samariter den Verwundeten sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden und verband sie.

Dann setzte er den Man auf sein eigenes Reittier und brachte ihn in ein Gasthaus und pflegte ich.

Am nächsten Tag holte er zwei Silberstücke hervor, gab sie dem Wirt und sagte: ‚Pflege den Verwundeten! Wenn es mehr kostet, werde ich es dir geben, wenn ich wieder komme.‘“

Damit war die Geschichte zu Ende. Ein gutes Ende für den Verwundeten. Der Samariter hat sich um ihn gekümmert.

Jetzt sah Jesus den Schriftgelehrten wieder an: „Was meinst du: Wer von den dreien ist dem Mann, der von den Räubern überfallen wurde als Mitmensch begegnet?“

Der Schriftgelehrte musste nicht lange über seine Antwort nachdenken. Sofort sagte er: "Der, der Mitleid hatte und sich um ihn gekümmert hat.“

Jesus nickt und sagt: „Genau! Also mach es ebenso.“

Der Schriftgelehrte stand auf und ging wortlos. Was sollte er auch sagen?

Wir anderen blieben noch eine Weile schweigend sitzen und mit unseren Gedanken beschäftigt. Dann gingen wir auch.

Und wieder war der Kopf voller Gedanken.

Was meint Jesus damit? Soll ich nun dem Samariter auch helfen, wenn er in Klemme ist? Und hatten der Priester und der Levit nicht vielleicht gute Gründe, am Verwundeten vorbeizugehen. Vielleicht haben sie die Räuber noch im Gebüsch rascheln hören?

Und deshalb stehe ich jetzt hier in meiner Töpferstube an meiner Töpferscheibe und denke über den gefährlichen Weg von Jerusalem nach Jericho nach. Und denke nach. Und denke nach. So recht vorwärts komme ich nicht damit.

Also fange ich nochmals von vorne an. Wie ging es los? Der Schriftgelehrte fragt, wie er sich verhalten soll.

Jesus erinnert ihn an das wichtigste Gebot, das der Schriftgelehrte ja super gut kennt.

„Du sollst den Herren deinen Gott lieben,

mit deinem ganzen Herzen,

mit deiner ganzen Seele,

mit deiner ganzen Kraft

und mit deinem ganzen Denken.

Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.“

Genau, jetzt werden meine Gedanken klarer. Es fängt damit an, dass ich Gott liebe, mit allem, was ich habe: meinem Herzen, meiner Seele, meiner Kraft und meinem Denken.

Und dann, ja dann, kann ich meinen Mitmenschen und mich selbst lieben.

Dann habe ich den richtigen Blick auf meinen Mitmenschen. Dann habe ich Mut und Kraft, ihm zu helfen.

Mein Tonkrug ist fertig. Ich werde aufhören und mir was zu essen machen. Arbeiten und Nachdenken macht hungrig.

Und nächst Woche erzählt Aram wieder eine Geschichte zum Kopfschütteln, die Jesus den Menschen erzählt hat. Und wieder hat Aram einiges zum Nachdenken.

Lk 10, 25-37

28.1.2023

Zurück
Zurück

Die Wut des älteren Sohnes ist gut zu verstehen. Doch die Freude des Vaters auch. Der jüngere Sohn ist wieder da!

Weiter
Weiter

Aram hat viel zu denken. Jesus sagt: “Liebt eure Feinde!” Wie soll das mit Arams unmöglichen Nachbarn gehen?