Jakob erzählt aus seiner Kindheit. Ein Linseneintopf spielt dabei eine große Rolle.

Ich bin ein sehr alter Mann. Ich habe vieles erlebt und ich bin viel herumgekommen. Meine alten Tage verlebe ich nun in Ägypten, das hat mein Sohn Josef so eingerichtet.

Doch ich wollte ja meine Geschichte von Anfang an erzählen.

Meine Eltern sind Isaak und Rebekka. Sie haben uns erzählt, dass sie sich sehr Kinder gewünscht haben. Sie haben sich riesig gefreut, als Rebekka bemerkte, dass sie schwanger war. Und nach ein paar Monaten erkannte Rebekka noch was, nämlich, dass sie Zwillinge erwartete. Sie hat uns immer erzählt, dass wir Geschwister uns schon in ihrem Bauch gegenseitig geboxt haben und gestritten. So war das dann auch bei der Geburt. Das erste Baby, das den Bauch von Rebekka verließ, wurde vom zweiten Baby an der Ferse gehalten, so als wollte es verhindern, dass das erste Baby zuerst kam.

Schon sofort nach der Geburt sah man, dass wir sehr verschiedene Jungs waren. Ein Baby hatte am ganzen Körper Haare, das andere nicht. Der mit den Haaren war Esau, der Erstgeborene und ich war Jakob, der als Zweites auf die Welt kam.

Wir wuchsen mit unseren Eltern, den vielen Tieren, den Knechten und Mägden in unserem Lager auf. So verschieden wie wir aussahen, so verschieden waren wir auch in unserer Art. Die lautere Stimme beim Schreien hatte Esau, wenn der Hunger hatte, dann sprangen alles sofort. Ich war mehr der Wehleidige, ich wimmerte eher. Doch meine Mutter schaute immer, dass mir nichts fehlte. Als wir dann größer wurden und laufen konnten, war ganz klar, der Esau ist der Wildere von uns beiden. Der war immer mit den Knechten unterwegs. Er lernte schon als Kind, wie man mit Tieren umging und verbrachte gerne die Nächte draußen. Auch die Arbeit auf dem Feld interessierte ihn. Er kannte die Unkräuter, die er durch Hacken vernichten sollte. Er liebte es, ein ordentliches Feld am Abend zu betrachten und zu sehen, was er mit seiner Kraft geschafft hatte.

Ich war anders. Ich war viel mit meiner Mutter und den Mägden zusammen. Ich konnte Getreide mahlen und kochen. Das machte mir Spaß. Ich blieb lieber in der Nähe des Lagers und der Zelte.

Und als wir Kinder größer wurden, da war es Esau, der auf die Jagd ging. Er konnte mit Pfeil und Bogen gut um gehen. Unser Vater war mächtig stolz auf ihn und lobte ihn immer vor allen, weil er ein guter Schütze war und ein guter Fährtenleser. Meiner Mutter war das alles zu wild und sie war froh mich an ihrer Seite zu haben. Ich wurde von ihr ganz schön verwöhnt. Das mochte Esau natürlich nicht und ich mochte es nicht, wenn unser Vater immer den Esau so lobte.

Richtig gut kamen wir zwei Brüder nicht miteinander aus. Mussten wir ja auch nicht, wir konnten uns gut aus dem Weg gehen. Esau war oft tagelang nicht da.

Manchmal ordnete mein Vater an, dass ich mit zu den Tieren gehen sollte. Dann ging ich halt mit den Knechten mit. Ich konnte mir da einiges abschauen und habe es später in meinem Leben gut gebrauchen können. Unsere Knechte waren weise im Umgang mit den Tieren. Manchen alten Kniff zeigten sie mir. So lernte ich, welches Kraut bei entzündeten Wunden den Tieren Heilung und Linderung verschaffte. Ich konnte Kräuterverbände machen und Olivenöl mit Kräutern mischen für Einreibungen. Das war fast wie in der Küche beim Kochen. Das machte ich ja auch gerne.

Einmal gab es eine besondere Situation. Ich hatte einen Topf mit Linsen über dem Feuer gekocht. Linsen mochte ich gerne. Es war ein wenig gerösteter Speck mit im Topf und es duftete köstlich. In Kürze wäre mein Eintopf fertig. Ich freute mich schon darauf. 

Da kam Esau von Feld zurück. Es war ein heißer Tag und er war lange weg gewesen. Als er mich sah, bei meinem Kochtopf, kam er näher und sprach mich an: "Du, Jakob, ich bin so müde von der Arbeit auf dem Feld. Es war ein langer Tag und heiß war es auch. Gib mir doch was von deinem Zeug da. Ich muss was essen."

So war er mein Bruder. Er hatte Hunger und ich sollte ihm was von meinem "Zeug" geben. Ich weiß nicht, was in meinem Kopf dann passiert ist. Ich stellte mich breitbeinig vor Esau und sagte keck: "Erst musst du mir das Vorrecht überlassen, das du als Erstgeborener besitzt." Bei uns ist es nämlich so, wer zuerst geboren ist, bekommt nach dem Tod des Vaters den großen Teil von seinem Besitzt.

Esau starrte mich an. Ich dachte schon, jetzt geht er mir an den Kragen. Ist ja auch etwas ungewöhnlich, was ich da gesagt hatte.

Doch Esau sagte: "Was brauche ich das Erstgeburtsrecht jetzt? Ich sterbe fast vor Hunger. Gib mir jetzt was von deinem Eintopf!"

Wie war das? Esau kümmerte sich gar nicht um sein Erstgeburtsrecht. Er hatte Hunger und das war ihm jetzt wichtiger als alles andere. Und ich legte nach: "Dann schwöre es mir jetzt sofort!"

Und, ich hätte es nicht geglaubt, aber Esau schwor mir: Jakob bekommt das Erstgeburtsrecht von mir.

Also gab ich Esau eine ordentliche Portion zu essen. Brot und Linseneintopf und kühles Wasser aus dem Brunnen. Esau hatten einen guten Appetit. Ich gab ihm noch einen Nachschlag, bis er auch wirklich satt war. Meinetwegen hätte er den ganzen Topf aufessen können.

Er hatte mir ja sein Recht des Erstgeborenen als Gegenleistung für den Linseneintopf gegeben.

Als Esau satt war, stand er auf und ging.

Er sagte kein Wort mehr über seinen Schwur und sein an mich übertragenes Recht, das große Erbe des Vaters zu bekommen. War es ihm egal? Ich weiß es nicht. Wie gesagt, wir waren sehr verschieden, schon immer. Und warum hatte ich den Handel angefangen? Keine Ahnung. Vielleicht wollte ich mal schlauer sein als Esau. Vielleicht war ich neidisch, dass Esau der ältere von uns beiden war und beim Vater beliebter. Ich weiß es wirklich nicht.

Doch ich weiß, dass mit diesem Linseneintopf mein Leben auf eine Spur gebracht wurde, die mich weit weg von zu Hause brachte, für lange, lange Zeit.

Wie es weitergeht, erzähle ich euch in der nächsten Woche.

1. Mos 25, 19-24

25.5.2024

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Mit einer List, und Rebekkas Hilfe, erschleicht sich Jakob Esaus Segen.

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Der Heilige Geist lässt die Menschen alle eine Sprache verstehen.