Laban ist hinterlistig zu mir. Alles wird kompliziert.

Das letzte Mal habe ich, Jakob, dir ja von meinem Traum erzählt. Ich war auf der Flucht vor meinem Bruder Esau. Der war richtig sauer auf mich. Heute, wo ich alt bin, kann ich das sehr, sehr gut verstehen. Meine Mutter Rebekka hat mich nach Haran geschickt, zu ihrem Bruder Laban. Meine Reise dauerte lange. Es war ein weiter Weg, doch dann kam ich in die Gegend von Haran. An einem Brunnen traf ich Hirten mit ihren Herden. Ich fragte sie: "Wo kommt ihr denn her?" Bereitwillig erzählten sie mir: "Wir kommen aus Haran." Das war gut. Jetzt konnte es nicht mehr allzu weit sein. Neugierig fragte ich weiter: "Kennt ihr Laban und geht es ihm gut?" Sie nickten: "Ja, es geht Laban gut. Und schau mal, da kommt seine Tochter Rahel mit ihrer Herde."

Wirklich da kam eine Hirtin mit ihrer Herde. "Wollt ihr jetzt euere und ihre Tiere tränken und sie dann weiter weiden lassen?", erkundigte ich mich. Die Männer schüttelten den Kopf: "Wir tränken unsere Tiere erst am Abend, wenn alle da sind."

Das konnte ich nicht verstehen. Also machte ich mich an die Arbeit, den großen schweren Stein, von der Brunnenöffnung zu wälzen und goss Wasser aus dem Brunnen in die Tränken für die Tiere. Rahel freute sich. Vorsichtig nahm ich sie in den Arm und küsste sie und begann zu erzählen: "Ich bin dein Cousin, der Neffe deines Vaters, meine Mutter Rebekka ist die Schwester deines Vaters." Wir machten uns auf den Weg zu Laban, meinem Onkel. Wie das bei Hirten so ist, sprach sich schnell herum, dass ein Fremder hier ist und dass ich Jakob, der Neffe von Laban sei. Laban kam mir entgegengeeilt. Er küsste mich und brachte mich in sein Haus. Alles musste ich ihm von Rebekka erzählen. Sie hatten sich ja lange nicht gesehen.

Ich blieb bei Laban und seiner Familie und machte mich nützlich. Gut, dass ich als Kind schon gelernt habe, wie man mit kranken Tieren umgeht. Das war bei Laban wirklich gebraucht. Nach einem Monat suchte Laban das Gespräch mit mir: "Jakob, du sollst nicht umsonst hier mitarbeiten. Sag, welchen Lohn möchtest du für deine Arbeit?" Ich musste nur ganz kurz nachdenken. Ich hatte mich am ersten Tag schon in Rahel verliebt. Sie wollte ich zur Frau. So sagte ich zu Laban: "Ich will sieben Jahre für dich arbeiten und dann deine jüngere Tochter Rahel heiraten." Laban war einverstanden und ich freute mich sehr. Mir vergingen diese sieben Jahre wie im Flug. Immer wieder schaute ich Rahel an und freute mich darauf, sie als Frau zu bekommen.

Als die sieben Jahre vorbei waren, lud Laban alle Menschen in Haran zu einem Festessen ein. Wir feierten. Nachts brachte mir Laban meine Frau ans Bett. Es war dunkel und ich erkannte nicht, dass das nicht Rahel war, die zu mir in mein Lager schlüpfte. Erst am nächsten Morgen erkannte ich, wer es war. Es war Lea, die ältere Tochter von Laban. Ich war wütend und suchte Laban. Ich schrie ihn an: "Habe ich nicht sieben Jahre für Rahel bei dir gearbeitet, und du schiebst mir Lea unter die Decke bei der Hochzeit. Du hast unseren Vertrag gebrochen! Warum tust du mir das an?" Laban schaute mich ruhig an und entgegnete: "Bei uns ist es üblich, dass zuerst die ältere Tochter verheiratet wird und nicht die jüngere. Wenn du weitere sieben Jahre für mich arbeitest, kannst du auch meine jüngere Tochter heiraten. Nun feiere erst mal die Hochzeit mit Lea, danach feiern wir ein zweites Fest und du verheiratest dich auch mit Rahel. Dass man zwei Frauen hatte, das war bei uns so, also nichts Ungewöhnliches. Doch es war schwierig. Ich liebte ja Rahel und nicht Lea. Um die musste ich mich aber auch kümmern. Und Lea bekam Kinder von mir, Rahel nicht. Das machte Rahel traurig und ich versuchte sie, so gut es ging, zu trösten. Das machte Lea wieder wütend und auch traurig. Manchmal war die Stimmung in unserer Familie sehr schlecht. Die beiden Schwestern schauten neidisch aufeinander. Die Dienerinnen meiner Frauen waren auch im Wettstreit miteinander; sie wollten, dass jeweils ihre Herrin die besten Zeiten mit mir hatte.

Rahels Wunsch nach Kindern wurde immer großer und manchmal sagte sie so Sätze wie: "Wenn ich keine Kinder bekomme, dann sterbe ich!" Was sollte ich nur machen? Ich hatte schon 10 Jungs und eine Tochter. Halt keine Kinder von Rahel. Als Rahel schon nicht mehr glaubte, dass sie Kinder bekommen würde, da wurde sie doch noch schwanger. Sie gebar Josef. Er war sofort mein Lieblingskind. Und bei Rahel war das eh klar. Wir verwöhnten ihn, wo wir nur konnten. Später habe ich ihm mal ein besonderes Kleid mitgebracht, doch das ist eine andere Geschichte. Ich tat meine Arbeit bei Laban, Tag für Tag. Über 14 Jahre war ich schon bei ihm. Ich hatte Heimweh. Gerne würde ich zurückgehen. Wie es Esau wohl geht? Und lebt meine Mutter noch? Hat sich Esau beruhigt? Könnten wir beide miteinander reden? Das waren Gedanken, die mir immer häufiger durch den Kopf gingen. Aber auch: werden sich meine Frauen und Kinder in meinem Heimatland wohlfühlen?

 Nächste Woche erzähle ich euch, wie ich Laban überliste und meine Abreise vorbereitet. Einfach war das nicht. Vieles war zu bedenken und zu organisieren.

1. Mos 29, 1- 30,24

15.6.2024

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Jakob überlistet Laban - und geht heim.

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Jakob flieht von zu Hause und hat einen wunderbaren Traum.